Die SilvrettAteliers boten mir immer wieder die Möglichkeit, mich durch LandArt auszudrücken:

SilvrettAtelier 2006: “Ohne Titel”, aus einer Serie von C-Prints zur Dokumentation mehrerer Land-Art-Installationen auf der Roten Furka und am Fuße der Silvretta-Staumauer.

Über die Jahre ist ein breites Spektrum an künstlerischen Äußerungen entstanden, welche über die intensive Auseinandersetzung mit Landschaft und all ihren Erscheinungsformen unterschiedlichste Inhalte freilegen; es sind dies die aufmerksame Beobachtung vonNaturphänomenen, das Erforschen von sachlichen, assoziativen oder symbolischen Zusammenhängen und die Reflexion über das Sehen, über Wahrnehmung, Auswahl und Interpretation; mehr und mehr sind es aber auch offen kritische Inhalte – der Klimawandel, seine ökologischen und gesellschaftlichen Auswirkungen, die Machtstrukturen der Energiepolitik oder die Prüfung medial vermittelter Information an Ort und Stelle. Ein weiteres Interesse, welches sich im Laufe der Zeit durch die intensive Beschäftigung mit der Region herauskristallisiert hat, gilt der Erfahrung von Grenzen – sicher auch den physischen in der  persönlichen Herausforderung, die der Berg darstellt, aber vor allem den sichtbaren und unsichtbaren Markierungen, welche ein Gelände auf abstrakte Weise charakterisieren. So werden die geographischen Grenzlinien zwischen Österreich und der Schweiz ebenso zum Thema einer Land-Art-Installation wie die strategisch platzierten Felsbrocken, die in den 1970er Jahren angeblich zum Schutz vor einem Attentat der RAF das Heranfahren eines mit Sprengstoff beladenen LKWs an die Staumauer hätten verhindern sollen. (Quelle: “SilvrettAtelier 2006”, Hrsg. Vorarlberger Illwerke, 2007)

Mich beschäftigen Grenzen und die Willkür von Grenzziehungen. So habe  2006 ich in der Silvretta mit einem gelben Markierungsband die Staatsgrenze nachgezogen und daraufhin einfach um 90 Grad noch einmal verdreht. Das funktioniert genauso gut oder schlecht. Aber es bringt uns wieder in Erinnerung, was für unmenschliche Schicksale sich da oben während des Zweiten Weltkriegs abgespielt haben, als Schlepper für teures Geld Flüchtlinge in die vermeintliche Sicherheit geleitet haben – oft genug direkt und wissentlich in die Fänge der Schweizer Armee. Gar nicht allzu weit entfernt wiederholen sich siebzig Jahre danach fast täglich ähnliche Schicksale. Dabei erscheinen heute in unserer globalisierten Welt die Grenzziehungen in Mitteleuropa zugleich überholt und beinahe lächerlich.

Am selben Ort habe ich zwei Jahre später eine Grenztafel in einen einfachen buddhistischen Stupa verwandelt, das Ergebnis war eine sehr ästhetische Installation – fast zu schön! Diese temporäre Installation hat einen sehr persönlichen Ursprung: Ein paar Monate davor musste ich wegen eines akuten Bandscheibenvorfalls eine Trekkingtour nach Nepal kurzfristig stornieren. Ich war total frustriert und bat einen Künstlerkollegen, mir wenigstens eine große Packung Gebetsfahnen, die in Kathmandu an jeder Straßenecke angeboten werden, mitzubringen. So konnte ich für mich eine spirituelle Brücke von der Silvretta in den Himalaya schlagen.

Was bezweckst Du damit, Irritation, Sichtbarmachung, Völkerverbindung?

Ich wollte auch ein Zeichen für Völkerverbindung schaffen, den hierzulande oft politisch besetzten Begriff „Heimat“ relativieren. Jedenfalls ist es irritierend, wenn im Land der Gipfelkreuze plötzlich ein ganz anderes kulturelles Wahrzeichen auftaucht. Und Irritation regt zum Nachdenken an. Das ist aber nicht beliebig austauschbar. Bunte Gebetsfahnen in den Alpen funktionieren, Gipfelkreuze im Himalaya nicht. Denn sie haben ganz andere Intentionen: Während der Wind die Gebete der bedruckten Fähnchen zu den Geistern und Göttern wehen soll, zeugen Gipfelkreuze von Inbesitznahme.

(aus einem Interview mit Stefania Pitscheider-Soraperra in “ROLAND HAAS – MARKEN DES ZUGRIFFS, 2009, BUCHER Verlag)

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SilvrettAtelier 2006